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DigiSante Übersicht

Digitalisieren, orchestrieren, standardisieren, verankern – wie DigiSanté das Gesundheitswesen verändern wird

Ausgabe Nr. 144
Mär. 2025
DigiSanté

Leitartikel. Die Diagnose zur Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen ist bekannt: zu wenig vernetzt, zu wenig standardisiert, zu wenig transparent. Deshalb hat der Bund das Programm DigiSanté lanciert. Es soll das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren digital fit machen. Die Herausforderungen sind enorm – die Chancen auch.

Die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen hat Aufholbedarf. Die Problematik liegt zu einem grossen Teil darin, dass im hiesigen Gesundheitswesen zu viele über die Jahre gewachsene Silolösungen entstanden sind, die zwar in einzelnen Spitälern oder gar Branchen funktionieren, nicht aber über das gesamte System hinweg: Prozesse sind nicht aufeinander abgestimmt, Daten müssen oft von Hand mehrfach erfasst werden, eine automatische Weiterleitung ist unmöglich. Der Austausch von Daten zwischen Bund, Kantonen, Spitälern, Ärzteschaft, Apotheken, Versicherungen, der Pharma-Industrie und der Forschung ist stark eingeschränkt (siehe Artikel «Gesundheitsdatenraum: Systeme verbinden, datenbasierte Forschung ermöglichen»).

«Das Problem ist nicht, dass die Akteure im Gesundheitswesen nicht digitalisieren wollen. Alle wollen digital unterwegs sein», sagt Katrin Crameri, Co-Leiterin des Programms DigiSanté, «das Problem ist, dass wir digital nicht vernetzt sind». DigiSanté setzt hier an. Das Programm zur Förderung der digitalen Transformation verfolgt vier Ziele: digitalisieren, orchestrieren, standardisieren und verankern. Es umfasst etwa 50 verschiedene Vorhaben, die in den nächsten zehn Jahren umgesetzt werden sollen. Die Verantwortung über das Programm teilen sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Bundesamt für Statistik (BFS) unter der Leitung des Generalsekretariats des Departements des Inneren (GS-EDI).

Die Vorteile eines stärker digitalisierten Schweizer Gesundheitswesens sind enorm. Davon würde am Ende die gesamte Bevölkerung profitieren: bessere Behandlungsqualität, Entlastung der verschiedenen Gesundheitsfachpersonen von administrativen Arbeiten, mehr Transparenz über Kosten, Behandlungen, Qualität der Versorgung und Entscheidungsprozesse sowie die Möglichkeit zu einer besseren (und gerechteren) Steuerung des Gesundheitswesens. 

Auch mit Blick auf die öffentliche Gesundheit sind viele Vorteile erkennbar. Denn integrierte, individualisierte und interaktive Digitaltools können mithelfen, die Prävention auf individueller, aber auch auf systemischer Ebene zu verbessern. Wenn alle Gesundheitsdaten einer Person über einen zentralen Dienst abrufbar und für Fachpersonen zugänglich sind, kann die Prävention umfassender betrachtet werden.

Verantwortung übernehmen

Aber wie will DigiSanté das Silodenken überwinden? Wie kann das Programm das erreichen, was viele einzelne, ähnlich gelagerte Bemühungen in der Vergangenheit nicht geschafft haben? «In der Vergangenheit hat es keine vergleichbare, übergeordnete Initiative gegeben, das ist Teil des Problems. Alle haben sich in unterschiedliche Richtungen bewegt, keiner hat Verantwortung für das grosse Ganze übernommen», so Crameri. Wenn es darum ging, auf nationaler Ebene einheitliche Standards durchzusetzen, war der föderalistische «Bottom-up»-Ansatz hinderlich. 

DigiSanté wählt ein anderes Vorgehen: Erstens bietet es eine Plattform für den Austausch; die beteiligten Akteure können sich einbringen und mitdiskutieren. Auch die Kantone sind mit an Bord. Zweitens: Es wird an konkreten Projekten gearbeitet, die rasch Effizienzgewinne bringen sollen. Und drittens: Es übernimmt jemand die Verantwortung. So wird die Fachgruppe Datenmanagement verschiedene Standards etablieren. Es geht darum, gemeinsam mit den Akteuren Pflöcke einzuschlagen, die sicherstellen, dass die Systeme miteinander kommunizieren können, also interoperabel sind. Es braucht von den Beteiligten die Einsicht und den Willen, dass es nur gemeinsam geht – am Ende müssen die Standards aber auch durchgesetzt werden.

Vor der eigenen Haustür starten

Um dies zu erreichen, beginnt das Programm DigiSanté sozusagen vor der eigenen Haustür. Die Verantwortlichen fokussieren zunächst auf die Bereiche, die der Bund selbst überwacht und koordiniert – etwa die Spezialitätenliste (in der Spezialitätenliste sind alle Medikamente aufgeführt, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet werden), aber auch das Leistungserbringerregister, das nationale Meldesystem für übertragbare Krankheiten (siehe Artikel «Eine neue, digitale Ära der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten») oder das Radiation Portal Switzerland (siehe Artikel «Radiation Portal Switzerland»: Leuchtturmprojekt der Digitalisierung). 

Da der Bund in diesen Bereichen zuständig ist und entsprechende gesetzliche Grundlagen gelten, kann er Vorgaben machen und Standards definieren. So wird es auch mit SpiGes, dem Projekt der spitalstationären Gesundheitsversorgung gemacht, wo das BFS sicherstellt, dass alle Beteiligten – von den Kantonen über die Spitäler bis zu den Krankenversicherern – auf die gleichen Daten zugreifen können (siehe Artikel «Verbesserte Datenerhebung und -nutzung in der spitalstationären Gesundheitsversorgung»). Dieser Ansatz wird Schritt für Schritt erweitert. «Alle IT-Projekte, welche die beiden Ämter in Auftrag geben, werden die vereinbarten Standards einhalten müssen», so Mathias Becher, Co-Leiter des Programms DigiSanté. Und Marco D’Angelo, stellvertretender Programmleiter beim BFS, ergänzt: «Das Projekt SpiGes, welches bereits mit dem ersten Ausbauschritt seit Januar 2025 in Betrieb gegangen ist, zeigt das Zusammenspiel der Akteure eindrücklich auf.» 

Auch im Bereich der gesetzlichen Grundlagen wird DigiSanté neue Wege einschlagen. Eine Herausforderung bei der Erarbeitung solcher Grundlagen im Bereich Digitalisierung besteht darin, dass diese meist schon veraltet sind, kaum sind sie in Kraft getreten. Die Verantwortlichen versuchen daher ein anderes Vorgehen: Anstatt alle Eventualitäten in einem Gesetz regeln zu wollen, wurden zehn Rechtsprinzipien definiert, an denen sich die künftigen Regelungen orientieren sollen. Zum Beispiel: «Die Rechtsetzung zur Datenbearbeitung orientiert sich an den Datenflüssen und verhindert Medienbrüche» oder «die Verwendung von einheitlichen Standards und die Interoperabilität werden gefördert und wo nötig gefordert» (siehe Artikel «Herausforderungen in der juristischen Unterstützung von DigiSanté»).

Orchester zu stimmen braucht Zeit

Klar ist aber auch: Die Etablierung und Durchsetzung von Standards und gesetzlichen Grundlagen brauchen Zeit. Auch die Überwindung von historisch gewachsener Silomentalität hin zu einem effizienten Miteinander braucht Zeit. Und ein gemeinsames Verständnis über den Gesundheitsdatenraum zu schaffen, kommt einem kulturellen Wandel gleich. Das Orchester der Akteure im Schweizer Gesundheitswesen muss nun möglichst rasch einen gemeinsamen digitalen Notensatz definieren und danach gilt: üben, üben, üben.  

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Kontakt

Katrin Crameri, Abteilung Digitale Transformation, BAG,

Mathias Becher, Abteilung Digitale Transformation, BAG,

Marco D’Angelo, Vizedirektor, BFS, 

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